Kindheit auf Frepert: erst die Hausgeburt

Schmuggelzeit und Entbehrungen


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KAPITEL 1 - MEINE KINDHEIT AUF FREPERT
Am 5. Oktober 1947 wurde ich in Hauset geboren, in der Mietwohnung meiner Eltern und Geschwister, gelegen Hauseter Weg 86. Die ersten sechs Jahre meines Lebens verbrachte ich dort auf dem Bauernhof von Herrn Kleynen und der Schreinerei des August Havenith. Es waren die unmittelbaren Jahre nach dem Krieg und die Jahre des Schmuggels an der deutsch-belgischen Grenze.
Kapitel 1 Kindheit auf Frepert 1947-1953
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 Die Familie zieht 1945 von Eupen nach Hauset

 

Meine Eltern Richard Janssen und Martha Klein zogen am 28. September 1945 mit ihren beiden Kindern Monique und Siegfried von Eupen nach Hauset und mieteten dort auf Frepert bei August Havenith und Eugenie Kleynen eine Wohnung und zwar Hauseter Weg 86. 

 

Hauset, das war damals eine der kleinsten Gemeinden im deutschsprachigen Gebiet Belgiens, Mit dem Versailler Vertrag waren die Kantone Eupen-Malmedy, zu denen Hauset gehörte, 1920 dem Königreich Belgien zugeschlagen worden. Die Gemeinde ist gelegen im äußersten Zipfel des Königreichs an der Grenze zu Aachen. Das schmucke Dorf wurde mit vielen Namen bedacht, das „Dorf an der Göhl“ (Leo Kever), „versteckt im Grünen“ (Willy Timmermann) oder war gänzlich unbekannt („Wo liegt eigentlich Hauset?“ fragte das „Echo der Gegenwart“ in Aachen 1861). In der Tat ist das Dorf an der Landstraße von Aachen nach Eupen gelegen, „Bauw ongemerkt, jätt open Sij“ (Mundartdichter Erich Kockartz aus Hauset in seinem Gedicht Os Hosend a jen Jöhl). 

 

Warum die Familie, zu der auch schon die beiden Kinder Monique und Siegfried gehörten, gerade nach der Rückkehr aus der Evakuierung in Hauset landeten, ist heute nicht mehr genau nach zu vollziehen. Eine Rolle kann dabei gespielt haben, dies ist aber nur meine Vermutung, dass mein Vater von der Familie des Industriellen Knauff aus der Textilstadt Verviers protegiert wurde, und somit nach der kurzen Inhaftierung im Garnstock in Eupen und in Verviers recht schnell wieder als freier Mann und ‚unbescholten‘ die Säuberung nach dem Zweiten Weltkrieg überstand. Meine Mutter war vor dem Kriege bei Knauff „in Stellung“ gewesen. Die Haveniths waren eher als pro-belgisch bekannt und vielleicht reichte eine Empfehlung aus, meine Eltern dorthin zu vermitteln.

 

August Havenith war Schreinermeister und ihm gehörte eine Schreinerei, die etwas unterhalb des Hauseter Wegs, Richtung Dorf, in einer Kurve lag, hinter dem Haus, das damals von der Familie der Witwe Odilie Falkenstein mit ihren Kindern Aloysia und Hugo bewohnt wurde. Vor dem Kriege hatte August in dem Gebäude neben dem eigentlichen Hof, der 1866 erbaut wurde, ein Hotel mit Café und Restaurant betrieben, „Freport“ genannt (oder war das ein Druckfehler auf der Ansichtskarte?). Die Gaststätte umfasste auch ein kleines Sälchen. Nach dem Kriege unterhielt Frau Taxhet an dieser Adresse noch ein ebenso kleines Geschäft. Der Saalbetrieb bestand noch einige Jahre, das Hotel seit längerem nicht mehr. August Havenith war der Bruder von Heinrich Havenith. Die Familie Heinrich Havenith bewirtschaftete einen Bauernhof in Hauset, gelegen im Ortsteil Stöck. Heinrich war in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen Mitglied des Hauseter Gemeinderats und auch einige Jahre Bürgermeister von Hauset gewesen. Er war dann allerdings, noch im Amt, verstorben. Ein Sohn, Hugo Havenith, bewirtschaftete den Hof weiter. Heute ist dort der Jacobs Hof beheimatet, eine kulturelle Begegnungsstätte. 

 

Fünfundsechzig Jahre meines Lebens verbrachte ich, Walther Janssen, im Ortsteil Hauset der heutigen Gemeinde Raeren in Deutschostbelgien. Meine Eltern waren laut Melderegister am 1. September 1945 aus der Stadt Eupen nach Hauset umgezogen und wohnten dort auf Frepert, dem höchsten Punkt von Hauset, das damals eine eigenständige Gemeinde war. Die Wohnung war gelegen Hauseter Weg 89, auf der ersten Etage einer Doppelhaushälfte aus Backsteinziegel, die dem Hauseter Schreinereibesitzer August Havenith gehörte. In dieser Wohnung erblickte ich am 5. Oktober 1947 das Licht der Welt. 

 

Ich möchte die Lebenschronik wiedergeben so wie ich diese Zeit bis zu meiner Verrentung im Jahre 2012 zusammen mit meiner Familie erlebt habe. In dieses turbulente Leben habe ich versucht etwas Ordnung zu bringen und stelle hier die einzelnen Lebensabschnitte dar. 

 

Die Geburt des „Geschwulst“

 

Meine Mama soll wohl die Schwangerschaft zunächst als „ein Geschwulst“ empfunden haben, die Schwangerschaft kam sechs Jahre nach der Geburt meines Bruders Siegfried. Siegfried soll zumindest gesagt haben, als er das Bimmeln des Eismännchens hörte und meine Mutter ihn zum Sparen aufforderte, dass er „kein Brüderchen wolle, sondern ein Eis“. 

 

Nun kam aber das „Geschwulst“ doch auf die Welt, am 5. Oktober 1947 im Schlafzimmer der Wohnung auf der ersten Etage des Backsteinbaus am Hauseter Weg Nr. 89. Als Hebamme stand Josepha Hansen-Ertz aus Hauset meiner Mama bei der Geburt zur Seite. Ich war eines der wenigen Hauseter Kinder des Jahrgangs 1947, wenn nicht überhaupt das Einzige, das zu Hause im elterlichen Schlafzimmer das Licht der Welt erblickte. Schon bei der Geburt muss ich wie eine Krähe „Raab, Raab...“ geschrien haben, auch dies wurde lange kolportiert. Martha und Josepha, genannt „Seefchen“, hatten sich wohl recht früh in Hauset kennengelernt und angefreundet und sie blieben bis an ihr Lebensende Freundinnen. Meine Mama war anscheinend als „Feierbiest“ bekannt, denn Bälle oder Veranstaltungen gab es in den zahlreichen Sälen des Ortes sofort nach dem Krieg und zu Beginn der Schmuggelzeit in Hülle und Fülle. Somit war ich als Nachzügler zur Welt gekommen und nach deren eigenen Aussage haben sich dann meine Geschwister doch liebevoll um mich gekümmert. 

 

Wie dem auch sei, aus den nun folgenden Jahren haben sich einige Ereignisse in mein Gedächtnis eingeprägt: das Leben mit der Landwirtschaft des Bauern Peter Kleynen; die Beschäftigung meines Vaters und seine Busreisen; die Schmuggelzeit, die Unruhe in und um das Haus brachte;  die verschiedenen Operationen, denen ich mich unterziehen musste; die vielen Besuche bei und von unserer Verwandten und Freunden der Familie; einige besondere Nachbarn, die mir bis heute in Erinnerung geblieben sind; das verbrannte Kinn, dass mir mein Bruder mit einer brennenden Streichholzschachtel verpasst hatte.

 

Der Wohnungseigentümer Havenith

 

August Havenith und seine Frau Eugenie Kleynen, die einige Jahre jünger war als ihr Mann, hatten zwei Söhne, Richard und Robert. August war der Nachfahre einer alteingesessenen Hauseter Familie. Der Vater von Eugenie, Peter Kleynen stammte aus Remersdael und betrieb auf dem Anwesen einen kleinen Bauernhof. August Havenith war Schreinermeister von Beruf. Ihm gehörte eine Schreinerei etwa 500m unterhalb seines Eigentums Richtung Dorfmitte gelegen. Ein Holzschuppen neben dem Gebäude auf Frepert diente ebenfalls als Holzlager und Werkstatt. Das ganze Anwesen, mit dem Stall, dem Milchvieh, der Kneipe und der Schreinerei musste für manche Erinnerung in meinen frühen Lebensjahren herhalten. Opa Kleynen waltete  als graue Eminenz auf diesem kleinen Hof, wo es immer etwas zu tun gab. August war ein gutmütiger Mensch ebenso wie sein Schwiegervater „Opa“ Kleynen. Es gab immer Essen, das auf dem Tisch stand, insbesondere auch die großen Weißbrotscheiben mit Krautaufstrich aus der Aubeler Gegend (Marke „Pomona“). Ich habe dies in vollen Zügen genossen. Mit den kleinen Kälbchen war ich bestens befreundet, ich durfte den frischgeborenen Jungtieren Namen geben und sie dann auch hätscheln und streicheln. Das Leben in der Landwirtschaft und draußen auf der Wiese bereitete mir viel Freude. Im Schuppen der Familie Havenith gab es immer etwas zu stöbern. Irgendwann zu Beginn der 50er Jahre wurde da aber aufgeräumt, denn August hatte einen neuen Personenwagen gekauft, einen Ford Taunus, der in Köln gefertigt wurde. In einem Jahr, wann genau weiß ich nicht, erinnere ich mich an eine Maikäfer-Plage. Die Maikäfer mussten kübelweise gesammelt und verbrannt wurden. Eine weitere Plage hat es danach, aus meiner Erinnerung, nicht mehr gegeben. Die Gastwirtschaft parterre gelegen gab Herr Havenith bald auf und hier zog Kaspar Taxhet mit seiner Frau ein. Kaspar war Schornsteinfeger von Beruf, sie betrieb dort ein kleines Kolonialwarengeschäft. 

 

            Die größere Familie im Winter 1947-1948 auf Frepert
Die größere Familie im Winter 1947-1948 auf Frepert

Die Beschäftigung meines Vaters Richard

 

Nach einigen Monaten der Arbeitssuche hatte Vater Richard nun die Stelle eines Lastwagenfahrers in der Ziegelei Heutz in Hauset angetreten. Dort arbeitete er einige Jahre um dann als Busfahrer zum Busunternehmen Bosten in Eupen-Unterstadt zu wechseln. Zu seinen Fahrten gehörten auch häufig Ausflugsfahrten, an denen meine Geschwister und ich gelegentlich teilnehmen durften. So reiste Vater Richard durch die nähere Umgebung und ins nahe gelegene Rheinland. 

Diese Busreisen führten meist an die Ahr zu den Weinkellern von Mayschoß und Altenahr, zur „Bunten Kuh“, einem Weinhaus an dem malerischen Flüsschen gelegen, oder an den Rhein nach Königswinter zum Drachenfels oder gar zur Loreley und nach Rüdesheim. Im Nahbereich führten die Fahrten nach Schwammenauel am Rursee oder später auch nach Belgien. Überhaupt hatte man den Eindruck, dass dank eines blühenden Vereinslebens  in unserer Heimat alle Familien stets auf Kurzreisen unterwegs waren. An die Fahrten nach Köln zum Dom kann ich mich noch sehr gut erinnern. Vor dem Dom fand immer eine Lotterie statt, bei der fortdauernd ein Ford Taunus verlost wurde. Der gesamte Erlös kam dem Wiederaufbau des Kölner Dom zugute. Wenn ich auch selbst natürlich nicht viel mitbekam von den lustigen Saufgelagen in den Weinkellern an Ahr, Rhein und Mosel, so bin ich doch auf einigen Fotos mittendrin.

 

Zu welchem Zeitpunkt Fernreisen hinzu kamen kann ich nicht genau sagen. Richard wechselte inzwischen von Bosten in Eupen zum Busunternehmen Pauly in Neu-Moresnet. Dort fuhr mein Vater sowohl im Ausflugsverkehr, später auch im Linienverkehr zu den Kohlengruben von Heusy, Battice und Soumagne, an der Straße Aachen-Lüttich gelegen. So reiste Vater Richard durch die nähere Umgebung, in das nahe gelegene Rheinland, jedoch auch hinein nach Belgien und Frankreich. Diese Reisen führten ihn bis zum Mont Saint-Michel in der Normandie und zum Wallfahrtsort Lourdes in den Pyrenäen. Richard blieb als Busfahrer, zuletzt mehr im Linienverkehr von Vaals über Kelmis nach Eupen tätig. Bei Pauly blieb er bis  Anfang der 60er Jahre beschäftigt und wechselte dann zum Kabelwerk Rhenania nach Brand bei Aachen. Er war auch der erste Chauffeur der Linie Kelmis-Aachen.

 

Meine Mutter arbeitete in dieser Zeit tageweise als Haushaltsgehilfin bei der Familie Knauff in Verviers wo sie vor dem Krieg in Stellung gewesen war. Die Fahrt dorthin ging über Eupen mit der Straßenbahn.

 

Die Schmuggelzeit

 

Um das Jahr meiner Geburt herum, im Herbst 1947, begann die Zeit, die der Journalist Wolfgang Trees (†) in seinen Büchern „... die wilden Nachkriegsjahre an der deutschen Westgrenze“ nannte. Es war auch in meinem Heimatdorf Hauset die Schmuggelzeit, die um 1946 begann und etwa 1953 zu Ende ging. Ich selbst habe nur einige blasse Erinnerungen an diese Zeit, anders als bei meinen Geschwistern. Sie waren in den Unternehmungen und Aktionen mit eingebunden. Zu den Erinnerungen gehört zum Beispiel, dass ich am Fenster unserer Wohnung am Hauseter Weg über die Wiesen der Hauseter Heide bis zur Flög am Aachener Wald schauen konnte und zumindest hin und wieder die Schmugglertrupps oder Schmugglerkolonnen über die Wiesen streifen sah. Die Schmuggler hatten im Grunde Verbindungen zu jedem Haus, denn es gab in Hauset wohl keine Familie, die nicht Kaffee oder andere Waren geschmuggelt hätte. Dies steht zumindest auch so in der Pfarrchronik von Pfarrer Duschak, der während dieser Zeit Pfarrer in Hauset war. 

 

Mit dem Schmuggel wuchs auch die Kriminalität im Dorf, denn es kamen nicht nur hungrige Mäuler aus Deutschland, die gestopft werden mussten. So kam es im Jahr 1949 zu einem Mordfall, bei dem die Witwe Karthaus, die in der Nähe des Zollamtes Köpfchen wohnte, ermordet wurde. Auch fanden viele Einbrüche statt, auf Frepert und am Hauseter Weg, ganz in unserer Nähe. Erinnern kann ich mich noch an einen Fall der Familie Luchte und vor allen Dingen den der Familie Silvertant. Herr Silvertant unterhielt am Hauseter Weg eine Gärtnerei. Er zeigte unsere Familie wegen Hehlerei an. Schwester Monique wusste zu schildern dass Sie eine Halskette trug, die Herr Silvertant als sein Eigentum erkannte. Die Angelegenheit kam vor Gericht und die Einrichtung unserer Wohnung sollte requiriert werden. Da ein Teil der Möbel versteckt wurde war bei der Requirierung nicht mehr allzu viel zu holen. Es blieb aber die Beschuldigung gegen meine Familie, über die man so leicht nicht hinwegkam.

 

Auch kann ich mich an einige Namen  von „Geschäftspartnern“ erinnern, die bei uns in diesen Jahren ein und aus gingen, unter anderem ein Herr Gansauge. Er hatte kurzzeitig bei uns gewohnt. Schwester Monique konnte sich daran erinnern, dass er ihr Deutsch beibrachte, denn er hatte immerhin Abitur. Auch war da noch ein Graf von Figge, bei dem die Familie nicht sicher war ob er nicht die goldene Uhr meines Vaters, ein Erbstück, gestohlen haben könnte um sie anderweitig zu veräußern. Jahrzehnte später, nach dem Fall der Mauer, tauchte Herr Gansauge noch einmal bei uns in der Flög auf. Er hatte bei Chemnitz gelebt und insbesondere meine Schwester Monique kann sich sehr gut an ihn erinnern. Sie besuchte ihn auch einmal bei Chemnitz

 

Mit der Schmuggelzeit verband ich meist nur ängstliche Erinnerungen. Es waren unbekannte Leute, die sich da in unserem und um unser Haus herumtrieben, es gab die Kontrollen der belgischen Zöllner, es gab die Fahrten nach Aachen oder Eupen, und letztendlich erfuhr ich, dass alles immer mit großen Problemen verbunden war. So stellte es sich mir zumindest dar, meine Geschwister, die ja sechs und acht Jahre älter waren als ich, sahen dies sicher anders oder waren selbst Teil der Ereignisse. In der Schmuggelzeit waren meine Eltern über Merols nach Kettenis zu Tante Hedwig in Kettenis und nach Eupen zu Onkel Claus gefahren. Monique bestätigte, dass meine Mama, aber auch sie selbst und Siegfried den Kaffee in Kettenis bei Hedwig Dohlen abholten um ihn über Merols nach Hauset zu bringen. Bei Hedwig war also so etwas wie ein Umschlagsplatz. Übrig blieb mir die Erinnerung, dass das Glück meinen Eltern wohl nicht hold gewesen ist in dieser Zeit. Reich sind sie durch oder mit dem Schmuggel nicht geworden, aber viele kleine Erleichterungen im Leben brachte der Warentausch doch mit sich und verbesserte so die Lebensqualität.

 

Aufenthalte im Krankenhaus Eupen

 

In diesen Jahren wurde ich dreimal ins St. Nikolaus-Hospital eingeliefert zur medizinischen Behandlung. Unser Hausarzt war Dr. Maraite, der in Eupen auf der Neustraße seine Praxis hatte und auch zu Hausbesuchen nach Hauset kam. Monique erzählte dass beim ersten dieser Aufenthalte gleich drei Familienmitglieder ins Krankenhaus eingeliefert wurden: meine Mama, Siegfried und ich. Mama ließ eine Rippenfellentzündung behandeln, Siegfried und ich wurden beide am Bruch operiert.  An den Krankenhausaufenthalt erinnere ich mich wegen der grausamen Art der Betäubung mit Äther oder Chloroform. Auch wurde ich wegen einer Phimose operiert.

 

Mit Marie Louise und Anita - Raymond (li) und Robert (re)
Auf Moniques und Siegfrieds Kommunion 1951

Verwandte und Bekannte

 

Obschon meine Eltern nicht sonderlich wohlhabend waren und mit dem Geld vorne und hinten nicht zurechtkamen, wurden doch die Feste gefeiert, wie sie fielen. Ein großes Fest, welches noch auf Frepert gefeiert wurde, war die Kinderkommunion meiner beiden Geschwister Monique und Siegfried im Frühjahr 1951. Hier wurde eingeladen, was Rang und Namen hatte und ein tolles Foto erinnert an dieses Ereignis. Ich war damals vier Jahre alt, meine Schwester war immerhin acht Jahre älter als ich, mein Bruder Siegfried sechs Jahre älter. Zur Feier kochte für uns Josepha Hansen. Seefchen kochte für viele Familien im Dorf anlässlich von Familienfeiern in der Art eines „Party-Service“ und hat so manche Kommunionsfeier als Köchin kulinarisch begleitet, auch in unserer Familie. Sie kochte noch Jahre später zu meiner Kinderkommunionsfeier und zur Hochzeit meiner Schwester das Festessen für die geladenen Gäste. Schon lange wohnten wir da nicht mehr auf Frepert.

 

Aber auch ansonsten wurde die Verwandtschaft entweder besucht oder sie war bei uns zu Gast. So bleiben die Erinnerungen an die Reisen zu der Schwester meiner Mutter, Klara Schumacher, die mit ihrer Familie in St. Tönis bei Krefeld lebte. Ihr Mann, Onkel Albert, war ein Witzbold ersten Ranges, kriegsversehrt, gleichwohl immer froh gelaunt. Er flachste immer viel mit meiner Mutter, in einem Wechselspiel zwischen Veräppeln und Satire. Die Schumachers hatten zwei Kinder, Anita und Elfriede. Anita hatte das Alter meines Bruders Siegfried, Elfriede hingegen mein Alter. Mamas Bruder Jean lebte in Verviers, der älteste Bruder Alex mit seiner Frau Bertha bewohnte das elterliche Haus meiner Mutter in Udenbreth. Ihre beiden Brüder Fritz und Max waren verstorben. Während der jüngste Bruder Max noch im Krieg gefallen war und bei Woronesh verstarb, war Fritz, der eigentlich mein Patenonkel hätte werden sollen, deshalb auch mein Zweitname Friedrich, 1948 verstorben. Er konnte zu meiner Taufe nicht mehr kommen, weshalb Claus Dreessen aus Eupen für ihn einsprang und mein Patenonkel wurde.

     

Einige Geschwister meines Vaters lebten in Eupen, so der ältere Bruder Arthur mit seiner Frau Louise und deren Sohn, ebenfalls Arthur. Sie wohnten im elterlichen Haus meines Vaters in der Haasstraße in Eupen.

 

Zu den Familientreffen an die ich mich erinnere, kamen oft die gleichen Gäste aus dem Bekanntenkreis, wie schon erwähnt mein Patenonkel Klaus Dreessen aus Eupen, meine Patentante Hedwig Dohlen, Leo Pauquet, ein Freund meiner Eltern, ebenfalls aus Eupen, oder die Familie Henkes aus Eupen Unterstadt. Meine Patentante Hedwig und Herr Henkes stammten wie meine Mutter aus Udenbreth. Sie wohnte damals in Kettenis, Familie Henkes im Selterschlag in Eupen. 

 

Aber an erster Stelle waren da meine beiden Paten, Claus Dreessen und Hedwig Dohlen. Onkel Claus aus Eupen kam mit seiner Frau Kläri hingegen auch oft zu Besuch. Tante Hedwig sahen wir nicht gerade so oft, sie war jetzt eine verheiratete Quadflieg und wohnte in Bleyberg. Sie hatte einen Sohn aus erster Ehe, Freddy Dohlen. Hedwig war allerdings auch bei meiner Kommunionfeier und bei meiner Heirat mit dabei. 

Diese Verbindungen blieben bis in die frühen sechziger Jahre bestehen, als unsere Familie schon nahezu zehn Jahre in einem anderen Ortsteil wohnte, nämlich in der Flög. 

 

Aus Verviers besuchte uns auch Madame Knauff, die Witwe des Vervierser Textilindustriellen Knauff, bei dem meine Mama in Stellung gearbeitet hatte. Sie besuchte uns einige Jahre, auch mit ihrer Tochter Monette. Diese war früh verwitwet und hatte einen Sohn, Raimond. Monette fand den Weg zu  uns noch viele Jahre, auch als ihre Mutter bereits verstorben war. Wie ihre Mutter vorher  löste sie in Aachen die Coupons ihrer Aktien ein.

 

In Erinnerung geblieben sind mir ebenfalls unsere gelegentlichen Besuche bei meiner Tante Anna in Dedenbach und die Fahrten nach Burg Brohl. Tante Anna war die Schwester meiner Oma Karoline. In Dedenbach war auch mein Bruder Siegfried immer dabei. Das Bauernhaus von Tante Anna lag in einem Talkessel, und ich erinnere mich vor allem an ein fürchterliches Gewitter, bei dem ich als Kind große Angst hatte. Tante Anna schenkte mir später als Erstklässler den Brockhaus, in dem vorne als Widmung steht: „Das Leben ist ein Kampf, siege!“

Aus Eupen besuchte uns darüber hinaus die Familie Henkes, die am Selterschlag wohnte. Die Bausteine für sein Eigenheim hatte Herr Henkes selbst „gesammelt“ und so sein Haus über die Jahre zu einer ansehnlichen Bleibe ausgebaut. Ebenfalls häufiger Gast meiner Eltern war Leo Pauquet aus Eupen, der „Pauqist“ genannt. Sie kannten ihn  schon aus der Zeit vor dem Krieg, wohl insbesondere als Karnevalist und Büttenredner in der Karnevalszeit, lagen doch in unserer Fotoschatulle viele Ablichtungen vom Karnevalszug in Eupen-Unterstadt, auf denen Leo stets in Aktion zu sehen war. 

 

Inzwischen vier bzw. fünf Jahre alt auf Frepert

     Hauseter Weg auf Frepert mit Dackel Waldi - Haus Lentz 1953
Hauseter Weg auf Frepert mit Dackel Waldi - Haus Lentz 1953

Die Nachbarn auf Frepert

 

Es fehlen noch einige Angaben zu unseren Nachbarn. Am Hauseter Weg Richtung Dorf wohnte der Dorfpolizist Lenz. Er stotterte leicht, was ihm damals so manche Nachahmerei durch die Dorfjugend einbrachte. Gegenüber befand sich die Landwirtschaft des Hubert Lennertz. Seine jüngste Tochter Helga hatte fast genau mein Alter und so kam es, dass wir auch viel zusammen spielten, insbesondere in den Wiesen, die zwischen beiden Bauernhöfen lagen. In einer gab es eine Felswand mit Höhlen, viele Jahre später erfuhr ich, dass hier einmal ein Steinbruch gewesen war. Von dem Hof aus konnte man schon das ganze Dorf bis hin zum Göhlviadukt, der Hammerbrücke, überblicken. Weiter unterhalb befand sich die Schreinerei Kistemann, die Familie hatte drei Kinder. In Erinnerung habe ich noch, dass die beiden Söhne, im Verbund  mit anderen größeren Jünglingen des Ortsteil Frepert, Siegfried am Marterpfahl „quälten“. Auf der Etage wohnte Frau Pauly mit Tochter Margot. Frau Pauly wurde auch eine langjährige Freundin meiner Mutter. Kurz hinter Kistemann stand das Haus der Familie Charlier-Müller, mit Ihren drei Kindern Josef, Karl und Maria. Karl betrieb dort ein Kolonialwaren- und Fahrradgeschäft. Hier kaufte mein Vater mir das erste Fahrrad, ich war damals acht Jahre alt. Etwas weiter unterhalb befanden sich das Haus der Familie Falkenstein und die Schreinerei des August Havenith. In dieser Schreinerei hielt ich mich auch hin und wieder auf. Dabei kann ich mich erinnern, dass auch einige Kinder aus der Nachbarschaft mit dabei waren.

 

Von der Schreinerei waren es nur wenige Schritte bis zum Eigentum der Familie Josef Lux, der hier mit seiner Frau Mechthilde, geborene Heutz und Sohn Bruno wohnte. Sohn Balduin („Bodo“) kam als Nachzügler hinzu. Der Lehrer Hermann Heutz hatte nach dem Krieg zwischen diesen beiden Häusern ein schmuckes Eigenheim errichtet, wo er mit seiner Frau Lenchen Kockartz wohnte. Hermann, von Beruf Lehrer, war aber auch Mundartdichter und Chronist der Petrus-Schützengesellschaft. 

 

Von unserer Wohnung am Hauseter Weg Richtung Aachener Busch wohnten nebenan in einem alten Bruchsteinhaus, das einmal als Zollhaus gedient hatte, das Ehepaar Müllem, die beide schon recht betagt waren. Im Anbau dahinter lebte eine weitere Familie Charlier, Hans Charlier nämlich, mit Sohn Hans-Jürgen. Er war älter als ich und nicht so häufig mein Spielgefährte. Schräg gegenüber, in einem kleinen Häuschen, lebte die Familie Rommers. Weiter Richtung Aachener Busch stand die Villa van Asten, die dem Fabrikanten der Filzfabrik van Asten in Kettenis gehörte. Gegenüber führte ein landwirtschaftlicher Weg zum Bauernhof Gut Heide, einem der ältesten Gebäude in Hauset. Hier wohnte der Besitzer Josef Lennertz mit seiner Frau Helene Paffen. Ihre beiden Töchter Gerta und Marlene waren älter als meine Geschwister. Gerta heiratete 1951 einen anderen Hauseter Landwirten, Heinz Lambertz, und bewirtschaftete mit ihm den Hof bis in die achtziger Jahre. Vater Josef starb 1952. Bei Helene holten meine Mutter und auch meine Geschwister noch Molkereiwaren und Eier für den täglichen Verzehr. An der Hauptstraße folgte auf die Villa van Asten ein größeres schlossähnliches Gebäude, welches von der Familie Bruch bewohnt wurde. Die Familie besaß in Neu-Moresnet eine Filzfabrik. Die Kinder waren mehr im Alter meiner Geschwister, trotzdem kann auch ich mich an manchen Aufenthalt in diesem etwas dunklen und unheimlichen Anwesen erinnern. Gegenüber stand ebenfalls ein altes Doppelhaus mit Bauernhof. Hier wohnte die Kriegswitwe Lilly Lorreng. Den Bauernhof Ihres verstorbenen Mannes Fritz Lorreng betrieb nun die Familie Hompesch. 

 

Hinter den Wiesen im Hinterland des Bauernhofes von August Havenith lag der Grossebusch, ein ortsnaher Wald, nur wenige hundert Meter von unserer Wohnung entfernt. Wir Kinder hielten uns auch viel dort auf, befand sich doch an einem früheren Steinbruch mitten im Wald auch ein kleines Häuschen, von uns Hexenhaus genannt. Bevor man in den Grossebusch gelangte, lagen am Waldrand zwei Häuser, in einem wohnte die Familie Kistemann und Frau Dr. Schumacher, die Tochter der Firmengründers der Schumag. In dem anderen lebte die Familie Offermann. Herr Offermann war lange Jahre Gemeinderatsmitglied in Hauset,

 

Obschon unsere Familie 1953 von Frepert in die Flög umzog, blieben einige dieser nachbarschaftlichen Verbindungen bis weit in die fünfziger Jahre hinein bestehen. Sie ebbten bis auf einige Ausnahmen in den sechziger Jahren ab, nachdem wir endgültig in der neuen Umgebung angekommen waren und neuen Freunden und Nachbarn begegneten. Aber dazu mehr im nächsten Kapitel.

Verblasste eigene Erinnerungen an die Kindheit

 

Warum man einige Ereignisse im Gedächtnis behält, andere nicht, kann ich heute nicht erklären. Die brennende Streichholzschachtel an meinem Kinn, die ich mir von meinem Bruder eingefangen hatte war ein weiteres solcher Ereignisse. 

 

Im Winter war das Leben geprägt von mehr Schnee, höheren Schneeverwehungen und größerer Kälte als wir dies heute kennen. Den Hauseter Weg hinunter Dorf einwärts konnte man damals noch mit dem Schlitten befahren, es kam nur hin und wieder ein Auto. Eines davon war das Auto von Nikolaus Kessel, einem Hauseter Taxiunternehmer. 

 

Besonders erwähnt werden müssen auch unsere häufigen Fahrten nach Aachen. Meine Mutter fuhr regelmäßig dorthin zum Einkauf, aber auch der Beschäftigung wegen. So führte sie mich schon in jungen Jahren zum Zahnarzt Bredohl, der gegenüber dem Elisenbrunnen, neben dem Haus der Geschenke, seine Praxis hatte. Von den Rundgängen durch Aachen habe ich in Erinnerung, dass vieles zerstört war und ganze Gebäude in Trümmern lagen. Dies war zu Beginn der fünfziger Jahre, nur langsam sollten sich im Laufe des Jahrzehnts die Baulücken schließen. Für den Grenzübertritt hatte ich einen Pass Marke Eigenfertigung, in dem die Passkontrolleure am deutschen Grenzübergang Köpfchen mir jedes Mal einen Stempel eintrugen. 

 

Für die Versorgung der Familie sorgte in diesen ersten Jahren meines Lebens mein Vater, wobei es der Unterstützung meiner Mutter bedurfte, die ständig in einem Haushalt als Gehilfin arbeitete. Die Milch kam von dem Bauernhof Havenith oder von Gut Heide, Brot und Gemüse wurden ans Haus geliefert. Papa unterhielt auch einen Gemüsegarten mit Kaninchen. Es gab natürlich Geschäfte in der Nähe, das kleine Geschäft von Frau Taxhet in unserem Wohnhaus, oder bei Charlier, bei Kockartz (den beiden Bäckereien) und bei Gatz (Kolonialwaren). Die Hauseter Geschäfte und Bäckereien hatten noch Jahrzehnte Bestand, bis sie in den neunziger Jahren dann allerdings schrittweise verschwanden.

 

Heute und im Nachhinein betrachtet kommt mir dies alles vor wie ein sehr intensives Leben, was es auch sicher war. Allerdings bleiben doch nur blasse Erinnerungen.

 

Im September 1953 wurde ich ins erste Schuljahr eingeschult. Meine Lehrerin war Frl. Elisabeth Winners, verheiratete Albinvanus. Frl. Winners war bereits gleich nach dem Kriege zur Lehrerin berufen worden und sie unterrichtete das erste und zweite Schuljahr. In unserem Jahrgang waren acht Erstklässler Karl-Heinz , dessen Eltern gegenüber der Schule ein Kolonialwarengeschäft betrieben; Edgar , sein Vater hatte die Kohlenhandlung im Dorf an der Hergenrather Straße; Engelbert, der Sohn eines Landwirtsbetriebs an der Göhl; Bernd, der Sohn des Bäckers;  Francis, dessen Vater auf Bonneberg, heute Asteneter Straße, einen Betrieb für Milchprodukte führte. Dann waren da noch die drei Mädels Helga, meine Nachbarin, Marlene, die auf Bonneberg wohnte, und Simone, die Tochter des Gemeindeförsters. 

 

Nur wenige Wochen nach der Einschulung zog meine Familie in eine größere Wohnung, gelegen im Ortsteil Flög. Dort bezogen wir am 5. Oktober 1953, an meinem sechsten Geburtstag, die Wohnung auf der ersten Etage  des Bauernhofes, der von Leonard Bauens und seiner Frau Lisa bewirtschaftet wurde. Nachbar zur Linken in der Straße, die eine Sackgasse war und in die Hauseter Sandgrube mündete, war die Familie Grassmann-Lux, zur Rechten die Familien Heinrich Pohlen und  Johann Falkenstein mit seiner Frau Helene.

 


Die Janssens aus Hauset

Walther und Elka Janssen wohnten mehr als 40 Jahre mit ihren drei Söhnen in dem kleinen Ort Hauset, einem Ortsteil der Gemeinde Raeren in Ostbelgien. Vieles in dem Archiv unserer Webseite dreht sich deshalb um diese 40 Jahre gemeinsamer Erlebnisse, aber auch um die Zeit davor. Elka und Walther wohnen seit 2013 in Schleckheim, einem Stadtteil im Süden von Aachen. Die beiden ältesten Söhne sind mit ihren Familien in Hauset geblieben, der jüngste Sohn wohnt am Firmensitz der Janssen Cosmetics in Oberforstbach (Aachen).  Wir möchten die Privatsphäre schützen, deshalb reagieren wir gerne auf Hinweise. Wenn Ihr also Hinweise,  Fragen, Anregungen und Vorschläge oder Ideen habt, meldet Euch gerne  

 

dialog@waltherjanssen.eu  


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Kommentare: 3
  • #3

    Scott ivins (Dienstag, 05 März 2024 21:45)

    It was a wonderful experience acting as sales agents for Tristano Onofri fragrances together with Adel Haddad

  • #2

    Klara Doert (Samstag, 19 November 2022 16:44)

    Ganz toll das wir uns gestern bei der Euriade zur Verleihung der Martín Buber Plakette an Iris Berben in Kerkrade zufällig nach all den Jahren über den Weg liefen. Warte nun aufs Foto�

  • #1

    Detlev O. (Freitag, 01 Januar 2021 17:57)

    Lieber Walther, Du hast das Jahr 2020 sehr gut von allen Seiten beleuchtet. Immer ein Blick auch auf die Firma. Bleibt gesund