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Erdogan und die Türkei

Was sonst noch los ist: die Türkei

 

Den Besuch des türkische Präsidenten und Diktators Recep Tayyip #Erdoğan am 17. November 2023 in der Bundesrepublik Deutschland, nach seiner letzten „Wahl“ zum Präsidenten in der #Türkei als Antrittsbesuch deklariert, nehme ich zum Anlass, nicht so sehr zu seiner Person, aber zu seinem Denken und Handeln Stellung zu beziehen, damit man auf jeden Fall nicht sagen kann, ich hätte so wie die Politiker:innen der Europäischen Union und Deutschlands geschwiegen zu den Machenschaften und Verbrechen, mit denen er die Welt nun seit nahezu zwanzig Jahren überzieht. Sicher haben ihm @Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident #Steinmeier dies nicht so deutlich gesagt.

 

Seine Karriere wird unter anderem in dem Buch „Global gescheitert?“ von Susanne Schröter, erschienen bei Herder, nahezu vollständig aber kurz und knapp vorgestellt. Die Informationen die dort zu finden sind decken sich auch mit meinen eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen, denn seit dem Antrag der Türkei zur Mitgliedschaft der in der EU verfolgte ich seine Haltungen, oder man muss besser sagen seine Machenschaften. Aber greifen wir in die Informationskiste von Susanne Schröter.

 

Wie wir wissen, konnten wir das NATO-Mitglied (seit 1952) Türkei nicht in eine Front gegen Russland einbinden. Stattdessen widersetzte sich Erdoğan mit seinem Veto gegen die Aufnahme von Schweden und Finnland in die NATO. Das Bündnis weist also Bruchstellen auf und kann deshalb nur noch begrenzt abschrecken. Ein Veto kann auch gegen die Ausrufung des Artikels 5, der Beistandsverpflichtung, ausgerufen werden. Damit wäre das gesamte Bündnis wirkungslos. Aber wieso sagt das keiner und wieso unternimmt niemand etwas dagegen. Liegt es daran, dass dies nicht möglich ist. Die Türkei unter Erdoğan hat sich weit von der Grundlage der NATO entfernt. Wofür brauchen wir die Türkei dann noch, in diesem Bündnis? Das erklärt einem niemand. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich der Demokratie, der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit. Dagegen verstößt die Türkei mit Erdoğan allemal. Die Demokratie ist durch ihn nachhaltig beschädigt, außenpolitisch ist er nicht friedfertig, er verfolgt eine anti-westliche und antisemitische Agenda.

 

Dabei war die Türkei unter Atatürk zu Beginn des vorigen Jahrhunderts noch ein Lichtblick, wenn auch als moderner Nationalstaat. Atatürk orientierte sich nach Westen. Er verankerte den Laizismus schreibt Ursula Schröter, er entmachtete die islamische Geistlichkeit und ließ die Religion durch ein eigenes Amt für religiöse Angelegenheiten kontrollieren. Er machte sich auch verdient um die Gleichberechtigung der Frauen, die 1934 das aktive und passive Wahlrecht erhielten. Als Makel blieb die systematische Diskriminierung ethnischer und religiöser Minderheiten, was wohl dem nationalstaatlichen Denken geschuldet war. Das gilt bis heute, aber noch verstärkt. Der Kurs blieb umstritten, vor allem im Gegensatz zwischen Stadt und Land, und in diesem Umfeld wuchs R.T. Erdoğan auf. Er war zunächst von 2003 bis 2014 Ministerpräsident und seit 2014 Präsident des Landes. Zielstrebig hat er dabei den Islam wieder zu einer politischen Kraft gemacht und die intellektuelle Westbindung der Türkei aufgehoben (siehe Susanne Schröter: Global gescheitert? S. 170 ff). Das Bildungswesen wurde islamisiert, die Frauenrechte beschnitten, Vergewaltigern wurden 2016 Straffreiheit zugesichert, die Mufti-Ehe vor einem Imam, die nicht an das gesetzliche Mindestalter von 18 Jahren gebunden ist, wurde legitimiert. Die Folge dieser Rückschritte waren vermehrte Misshandlungen von Frauen sowie der Austritt der Türkei (2021) aus der Istanbul-Konvention (verbindliche Rechtsnormen gegen häusliche Gewalt).


Hier mach ich einen Einwurf, denn all dies scheint im Grunde niemanden im Umgang mit Erdoğan oder mit der Türkei im Allgemeinen zu interessieren. Wir schütteln fleißig Hände oder treiben nach wie vor gute Geschäfte oder machen dort Urlaub. Schon beim Antritt zu seiner politischen Laufbahn hatte Erdoğan unmissverständlich erklärt, dass er die Demokratie nur als strategisches mittel zum Machterwerb nutzen wollte. Trotzdem wurde er vom Westen, insbesondere auch von der EU, in seiner ersten Amtszeit als Reformer wahrgenommen. Wie dies sein konnte ist mir schleierhaft, allerdings erinnert dies sehr stark an die gleiche Blindheit, mit der man seit dem Jahr 2000 auch Putin betrachtet hat, oder ihn auch heute noch heute sieht, trotz des Haftbefehls und der Kriegsverbrechen, die er zu verantworten hat. Auch im Fall Erdoğan wollte man das Offensichtliche nicht sehen. Im Verlauf seiner Regierungszeit ließ Erdoğan die Opposition unnachgiebig verfolgen und unter fadenscheinigen Argumenten inhaftieren, viele Oppositionelle auch zu langen Haftstrafen. Zuletzt war es Osman Kavala, zuvor der Führer der Kurdenpartei MHP, Selahattin Demirtaş. Zu all dem schweigt der Westen und auch die EU, bis auf gelegentliche „Beileidsbekundungen“. Wenigstens der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte forderte im Fall Kavala seine Freilassung. Auch von dem möglichen Ausschluss aus dem Europarat lässt sich Erdoğan nicht beeindrucken.

 

Ein Osmanisches Reich
Erdoğan formuliert darüber hinaus Großmachtträume, ebenso wie Putin, weshalb sie wohl Brüder im Geiste sind und sich blendend verstehen. Er versteht sich nämlich als Schutzpatron aller Turkvölker und spielt immer mit den Gedanken einer Wiederbelebung des Osmanischen Reiches. Er ließ die ehemals christliche Haga Sophia wieder zu einer Moschee erheben. Das erste Freitagsgebet hielt ein gewisser Ali Erbas mit dem Schwert, um an die Machtübernahme 1453 von Sultan Mehmed Fatih zu erinnern. #Erbas schwadronierte in der ganzen Predigt nur vom Geist des Eroberns und des Dschihad. Das Oberhaupt der Religionsbehörde ist auch bei uns seit einigen Tagen bestens bekannt durch seine antisemitischen Äußerungen, die in Deutschlands Moscheen verbreitet wurden. Dies zur Haltung des Verbands #Ditib. Die Ethnologin Schröter sagt, dass man nicht weiß, wohin diese imperialen Ambitionen führen könnten, denn Erdoğan träumt auch von der Eroberung Israels, wenn er betont, dass die Fahne des Islam bald wieder über Jerusalem wehen sollte. Ähnlich wie Putin achtet auch Erdoğan nicht die Grenzen seiner Nachbarn, weder im Irak noch in Zypern, vor allen Dingen aber nicht in Nordsyrien. Hier möchte er eine 30 Km breite Besatzungszone einrichten und diese mit arabischen Flüchtlingen, mitten im Kurdengebiet, zu besiedeln. Auch die Besitzungen der vertriebenen Kurden sollen den Arabern übergeben werden. Alles Kriegsverbrechen und man kann sogar sagen Genozid.

 

Hier nun wieder mein Einwurf. Wieso lassen die westlichen Demokratien dies alles mit sich machen? Oder Anders gefragt, warum sprechen und verhandeln sie noch mit Erdoğan? Glauben sie, dass sie ihn brauchen. Doch sicher nicht für unsere Sicherheit. Aber vielleicht aus wirtschaftlichen Gründen? Es ist das Dilemma in dem die westlichen Demokratien, die USA, die EU, überall stecken. Klare Ansagen und konkrete schritte sind nahezu unmöglich, wenn man am Ende nicht mit einer Handvoll demokratischer Staaten alleine dastehen will. Was man bei Putin zu Recht skandalisiert, die Verletzung von Grenzen, wird bei Erdoğan stillschweigend akzeptiert, sagt Susanne Schröter.

 

Bleiben wir noch einen Augenblick bei der NATO. Die Türkei kooperiert mit Russland in Syrien, bezieht von Russland Waffensysteme, pflegt eine enge Energiepartnerschaft (gut, die pflegte Deutschland auch) und er unterläuft die Sanktionen. Den Vertrag von Lausanne von 1923, der die Grenzen der Türkei festlegt, stellt er infrage und reklamiert ein größeres Staatsgebiet auf Kosten Griechenlands. Hier in unseren Medien erfahren wir davon nur in Fußnoten. Die Türkei ist aber heute kein verlässlicher Partner des Westens. Erdoğan sabotiert Entscheidungen der NATO, bedroht die Mitglieder, und stiftet durch die Einflussnahme auf die türkische Diaspora in Europa beträchtliche Unruhe. Schlimmer noch, diese Diaspora wählt ihn mehrheitlich. Darüber hinaus ignoriert der Westen auch noch die türkischen Demokraten, die ein Interesse daran haben als Teil des Westens wahrgenommen zu werden.

 

In dieser Frage bin ich selbst im Zweifel. Während ich nichts gegen die Zuwanderung türkischstämmiger oder vor allem kurdischstämmiger Menschen habe, die sich hier integrieren möchten oder auch schon längst integriert haben, bin ich im Zweifel darüber, ob die Türkei Mitglied der Europäischen Union werden kann. In der jetzigen Verfassung jedenfalls nicht, und das sollte man auch sagen und die Beitrittsverhandlungen abbrechen. Oder wir mischen uns aktiv in die Innenpolitik ein, setzen die Freiheitsrechte wieder in Kraft und garantieren den Schutz aller Minderheiten, um diese Rechte notfalls mit Sanktionen durchzusetzen. Solange Erdoğan aber durch islamistische und nationalistische Organisationen seine Landsleute in der EU bespitzeln lässt und einschüchtert, westliche Regierungen beschimpft und Hamas als eine Befreiungsorganisation bezeichnet, kann es doch wohl nicht sein, dass wir uns auf eine Beitrittsverhandlung einlassen. Das ungehinderte Agieren der türkischen Akteure in den westlichen Staaten der EU ist problematisch. Sie befördern die Abschottung ganzer Gemeinschaften, Extremismus und Gewalt. Auch hier gilt, wehret den Anfängen. Die Blockade gegen die Aufnahme Schwedens und Finnlands und die vertragliche antikurdische Verankerung von Politik zeigt, dass unsere vollmundigen Bekundungen zu Menschenrechtsstandards in der Realpolitik keinen besonderen Wert beigemessen wird. Nicht im Falle der Türkei und nicht in vielen anderen Fällen.

 

WJ

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Kommentare: 3
  • #3

    Scott ivins (Dienstag, 05 März 2024 21:45)

    It was a wonderful experience acting as sales agents for Tristano Onofri fragrances together with Adel Haddad

  • #2

    Klara Doert (Samstag, 19 November 2022 16:44)

    Ganz toll das wir uns gestern bei der Euriade zur Verleihung der Martín Buber Plakette an Iris Berben in Kerkrade zufällig nach all den Jahren über den Weg liefen. Warte nun aufs Foto�

  • #1

    Detlev O. (Freitag, 01 Januar 2021 17:57)

    Lieber Walther, Du hast das Jahr 2020 sehr gut von allen Seiten beleuchtet. Immer ein Blick auch auf die Firma. Bleibt gesund